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Der Irak wird wieder einmal dem negativen Bild gerecht, das die Weltöffentlichkeit von ihm hat. Obwohl bis zum 15. Oktober ein neues Wahlgesetz verabschiedet werden sollte, konnte sich das Parlament bisher zu keiner Einigung durchringen. Hierdurch könnte der gesamte politische, juristische und konstitutionelle Rahmen des Staates gesprengt werden, der anstehenden Abstimmung sowieso.

Die Parlamentarier streiten darüber, ob das neue Gesetz offene oder geschlossene Wahllisten für die Parteien vorschreiben soll. Während bei der ersten Variante die Kandidaten direkt gewählt werden, stehen im zweiten Fall lediglich von den Parteien aufgestellte Listen zur Abstimmung. Da Listenplätze gewöhnlich in Abhängigkeit von der persönlichen Loyalität zur Partei vergeben werden, haben die etablierten Politiker allen Grund, offene Listen zu fürchten. Mit ihnen können sie nur verlieren. Die meisten Iraker favorisieren offene Listen, weil die es ihnen ermöglichen, einzelne Politiker zur Verantwortung zu ziehen und Inkompetenz zu bestrafen, die sich nicht hinter Partei-Loyalität verstecken kann.

Al-Sistani droht mit Boykott

Der Streit darüber hat ein solches Ausmaß angenommen, dass es in den Regierungsbezirken Muthanna, Basra und Misan bereits zu Demonstrationen kam und das Büro des einflussreichen Ayatollah Ali al-Sistani damit gedroht hat, zum Wahlboykott aufzurufen, sollte das neue Gesetz geschlossene Listen dekretieren. Würde sich al-Sistani dazu entschließen, wäre der gesamte Wahlprozess beeinträchtigt mit katastrophalen Folgen für die politische Stabilität des Irak. Durch eine Intervention des Geistlichen dürfte keine der großen Schiiten-Parteien mehr Gefallen an geschlossenen Listen finden, auch wenn sie dies – wie beispielsweise der Islamic Supreme Council of Iraq (ISCI) – zuvor getan haben. Führende Parteimitglieder, unter ihnen Vizepräsident Adel Mahdi, haben bereits eingelenkt und sich öffentlich für offene Listen ausgesprochen.
Die Nationale Wahlkommission erklärt unumwunden, sollte die Nationalversammlung das neue Gesetz nicht bald verabschieden, sehe man sich gezwungen, auch das bevorstehende Votum nach dem alten Gesetz von 2005 auszurichten. Schließlich brauche man mindestens 90 Tage, um die Wahl zu organisieren. 2005 standen geschlossene Listen zur Abstimmung, die Vermutung liegt nahe, dass die Anhänger dieses Systems auf Zeit spielen und die Entscheidung verzögern wollen, damit das alte Gesetz in Kraft bleibt.

Kurden gegen Quotensystem

Die einzige große Gruppierung, die sich immer noch offiziell für die geschlossenen Listen ausspricht, ist die Demokratisch-Patriotische Allianz Kurdistans. Doch wird sie die Wahl kaum an dieser Formalie scheitern lassen. Viel mehr beschäftigt die Frage, wie mit der Region Kirkuk verfahren wird, über die es während der jetzigen Legislaturperiode im Parlament die größten Differenzen gab. Natürlich ist es auch denkbar, dass Kirkuk als Vorwand dient, die Wahlen zu verschleppen, um dem alten Gesetz treu bleiben zu können.

Die seit 2005 unter kurdischer Kontrolle stehende Region beteiligte sich nicht an den diesjährigen Provinzwahlen, da nicht geklärt werden konnte, wer für die Sicherheit zuständig ist und gegebenenfalls die Provinzverwaltung kontrollieren darf. Nun werden Forderungen laut, das Gebiet in vier nach Ethnien untergliederte Wahlbezirke aufzuteilen. Araber und Turkmenen fordern hingegen Quoten für sich, um auf die „veränderte demographische Lage in der Provinz“ zu reagieren. Gemeint ist die kurdische Mehrheit, die anderen ethnischen Gruppen wenig Spielraum lässt, sich politisch zu artikulieren.
Saddam Hussein hatte die Kurden einst mit Gewalt vertrieben. Jetzt kehren sie gemäß dem „Normalisierungsprozess“, der im Artikel 140 der neuen irakischen Verfassung beschrieben wird, in die Region zurück. Damit wird der unter Saddam Hussein betriebene Prozess der Arabisierung rückgängig gemacht. Nach Angabe von UN-Mitarbeitern, die sich damals vor Ort befanden, wurden allein im November 1991 – acht Monate nach Beendigung des so genannten ersten Golf-Krieges – mehr als 150.000 Kurden aus Kirkuk ausgewiesen.

Die Demokratisch-Patriotische Allianz Kurdistans weigert sich, einen Sonderstatus für Kirkuk zu akzeptieren, nur weil hier die Kurden die Mehrheit stellen. Mit gleichem Recht könnten sie dies dann auch in den Gebieten fordern, in denen sie in der Minderheit sind. Ein Quotensystem für Kirkuk allein wäre in der Tat zutiefst undemokratisch.

Übersetzung: Holger Hutt

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